von Ute Netzmann
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17. August 2022
„Verteidigung ist der erste Schritt zum Krieg. Wenn mir jemand sagt, ich sei gemein, ablehnend, hart, unfreundlich und unfair, sage ich: Danke, mein Schatz, ich kann das alles in meinem Leben finden, ich bin all das und noch mehr. Sag mir alles, was du siehst […] Durch dich lerne ich mich selbst kennen. Wie könnte ich ohne dich die Stellen in meinem Inneren finden, die unfreundlich und unsichtbar sind?“ (Zitat Byron Katie) Für die meisten unter uns klingt diese Art und Weise mit Kritik umzugehen doch eher fremd und entspricht nicht dem Muster, mit dem wir gewohnter Weise aufwarten, wenn jemand meint, wir hätten etwas falsch gemacht. Ich wette auch Du kannst Dich gut an Situationen erinnern, wo Du Kritik als schmerzhaft empfandest, in die Rechtfertigung und Verteidigung gingst und Dir wünschtest, der andere wäre zufrieden mit Dir. Warum ist es so, dass wir uns unwohl fühlen, wenn uns jemand kritisiert? Warum haben wir Angst vor Kritik und was gibt es dabei zu verlieren? Der andere könnte doch Recht haben und wir könnten etwas daraus lernen und schauen, was wir ändern möchten. Oder aber wir könnten, unserer selbst sicher, sagen: „Von deiner Warte aus kann ich das verstehen. Und ich mache es so, weil das mein Weg ist.“ Wie schön wäre es, wenn wir ruhig und klar reagieren könnten, ohne den Gegenangriff zu starten oder den Rückzug antreten zu müssen. Byron Katie, die Begründerin von The Work, sagt, dass all Dein Stress, all Dein Unbehagen, nie durch das ausgelöst wird, was scheinbar tatsächlich geschieht, sondern einzig und allein durch Deine Gedanken, also durch die Art und Weise, wie Du die Dinge beurteilst. Zum Beispiel durch solch einen Gedanken, wie „Er meint, ich habe etwas falsch gemacht.“. Das mag zunächst merkwürdig oder wie eine Zumutung klingen. Der andere kann sagen was er will, darf sich verhalten, wie er will? Und dass ich mich dabei unwohl fühle oder dass es mich verletzt, soll nur an meinen Gedanken liegen? Und außerdem – was soll denn an dem Gedanken verkehrt sein? Er meint, ich habe was falsch gemacht - der Gedanke ist doch lediglich eine Tatsache! Byron Katie lässt diese These jedoch nicht einfach so im Raume stehen, sondern bietet mit The Work ein Werkzeug an, mit dessen Hilfe Du leicht überprüfen kannst, welch unglaubliche Macht Deine Gedanken haben und was für einen gravierenden Unterschied es machen kann, ob wir einen Gedanken für wahrhalten oder nicht. The Work ist eine Reise, in der Du auf meditative Art und Weise Antworten auf kraftvolle Fragen findest und die Dinge anschließend in einem völlig neuen Licht siehst. Ich möchte Dich heute mit auf diese Reise nehmen und eben diesen Gedanken, dass jemand meint Du hättest etwas falsch gemacht, mit The Work beleuchten. Dabei kannst Du Deine eigenen Antworten auf die Fragen von The Work finden und im kursiv Gedruckten werde ich meine Antworten und gewonnenen Erkenntnisse teilen. Möchtest du mitreisen? Dann lade ich Dich ein, in Deiner Erinnerung zu einem Ort und einer Situation zu gehen, wo Du dachtest, jemand meint, Du hast etwas falsch gemacht. Eine Situation mit der Du bis jetzt noch nicht völlig im Frieden bist. Vielleicht erinnerst Du Dich an mehrere solche Erlebnisse. Dann entscheide Dich für einen konkreten Moment. Der Moment, an den Du Dich am besten erinnerst oder der Dich am meisten getroffen hat. Begib Dich in diese Situation zurück, als wärst Du jetzt wieder dort und beantworte die folgenden Fragen aus der Situation heraus. Eine der Fragen von The Work lautet: Wie reagierst Du, was passiert, wenn Du den Gedanken glaubst? Wie reagierst Du in Deiner konkreten Situation, wenn Du glaubst, der andere meint, Du hast etwas falsch gemacht? Wenn Du magst, schließe jetzt, bevor Du meine Antworten liest, die Augen und beobachte welche eigenen Antworten aus Deinem Inneren aufsteigen. Der Gedanke hat eine Wucht. Er bringt mich mit einem Schlag aus meiner Ruhe und aus dem Gleichgewicht. Ich fühle mich getroffen und bin angespannt. Ich reagiere entrüstet, wütend, traurig und hilflos. Auf jeden Fall fühle ich mich unwohl und würde am liebsten so schnell wie möglich aus der Nummer herauskommen. Gib mir einen Lappen und ich wische es schnell weg. Kein Lappen da, okay, also versuche ich mich zu rechtfertigen und zu verteidigen. Das ist jedoch nicht so einfach, denn entweder bin ich sprachlos und mir fällt nicht das Naheliegendste ein, was ich erwidern könnte oder aber ich blaffe zurück, greife den anderen an. Da sind wir auch schon bei einer weiteren Frage von The Work. Wie behandelst Du den anderen, in dem Moment wo Du glaubst, er meint, Du hast etwas falsch gemacht? (Wenn Du magst, schließe wieder erst die Augen…) Ich sehe ihn als Feind und werte es als Angriff. Damit gebe ich ihm viel Raum und Macht. Entweder hole ich zum Gegenschlag aus oder ich ziehe mich zurück und mache die Schotten dicht. Ich gehe automatisch in den Kampfmodus, greife den anderen direkt oder zumindest innerlich an. Ich denke, dass es falsch ist, was er da tut. So nach dem Motto: Wer mich blöd findet, den finde ich auch blöd. Ja, er macht was falsch, allein deswegen, weil er Kritik an mir äußert oder zumindest ist seine Art und Weise die Kritik zu äußern falsch! Ich nehme ihn nicht ernst, weise einfach alles von mir und fange an, bei ihm den Fehler zu suchen. Das mache ich, um mich zu schützen und um mich besser zu fühlen. Aber der Plan geht nicht auf, denn gut fühlt sich das nicht an. Ich bügele seine Kritik einfach weg und bin nicht in der Lage zu schauen, ob an dem was er sagt, was dran sein kann und ob ich etwas daraus lernen kann. Kritik als Geschenk annehmen? Oh, davon bin ich in dem Moment weit entfernt. Ich kann da kein Geschenk sehen. Und noch etwas Entscheidendes kann ich nicht sehen. Nämlich was in dem anderen tatsächlich vor sich geht. Was hat ihn veranlasst, diese Kritik zu äußern? Das will ich in dem Moment gar nicht wissen. Seinen Hintergrund, seine Bedürfnisse und seine Verletztheit sehe ich nicht und kann kein Verständnis dafür aufbringen. Wie gehst Du mit Dir selbst um, in dem Moment wo Du glaubst, er meint, Du hast etwas falsch gemacht? Es gibt da einen Teil in mir, der verunsichert ist und sich selbst in Frage stellt. Ich bin in diesem Moment nicht in der Lage, mir einfach nur mit einem breiten Lächeln zu begegnen, mag mich selbst nicht wirklich. Mir fehlt die völlige Klarheit darüber, dass ich so wie ich bin, okay bin. Oder anders ausgedrückt – ich ziehe mir den Schuh an. Und genau aus diesem Grunde trifft mich die Kritik. Was siehst Du nicht, in der Situation, wo Du glaubst, der andere meint, Du hast etwas falsch gemacht? Ich sehe nicht, dass er vordergründig überhaupt nicht sagen will, dass ich etwas falsch gemacht habe, sondern dass er vor allem von sich selbst und aus seiner Perspektive spricht. Er quält sich nicht mit dem Gedanken, ich hätte einen Fehler gemacht, sondern erzählt mir mit seiner Kritik von seinen eigenen unerfüllten Bedürfnissen, Sorgen, Nöten und Ängsten. Mit dem Gedanken etwas falsch gemacht zu haben, quäle ich mich ganz allein. Ich stehe da und erwarte von dem anderen, dass er seine Kritik fallen lässt und sieht, wie gut ich bin. Ja, ich erwarte, dass er mich freispricht. Dabei kann ich nicht sehen, dass er das in dem Moment von seiner Warte aus nicht kann. Jetzt ist es an mir herauszufinden, ob er mit seiner Kritik Recht hat. Weglaufen oder bockig sein und abwarten, dass der andere von seiner Position herunterkommt, löst die Sache nicht! Welchen Preis zahlst Du in Deiner Situation für den Gedanken, dass der andere meint, Du hast etwas falsch gemacht? Ganz einfach, dass ich nicht aus dieser Nummer herauskomme und auch nichts daraus lernen kann. Ich stecke in der Angst fest, mache mich verrückt und bin nicht in der Lage mit der Situation in den Frieden zu kommen, ohne dass der andere mir bestätigt, doch alles richtig gemacht zu haben. Ohne dass er mir seine Absolution erteilt. Wozu bist Du nicht in der Lage, in dieser Situation, wenn Du glaubst, der andere meint, Du hast etwas falsch gemacht? Ich kann nicht sehen, dass es nun zwei einfache Möglichkeiten gibt. Entweder ich stelle fest, dass mir der Schuh gar nicht passt und ziehe ihn wieder aus, bzw. ich ziehe ihn gar nicht erst an, sondern lasse ihn bei dem anderen. Oder ich erkenne, dass es tatsächlich mein Schuh ist und dass die Kritik etwas Wahres beinhaltet. Das wäre der Moment, in dem ich sagen könnte: „Ja, das ist tatsächlich mein Schuh, aber solch einen Schuh möchte ich gar nicht mehr tragen. Ich habe mich aus bestimmten Gründen bisher so verhalten und möchte das jetzt ändern.“ In dem Moment, wo der andere die Kritik äußert, bin Ich nicht in der Lage, diese zwei Möglichkeiten klar zu sehen und mich entweder selbst von der Kritik freizusprechen, klar zu mir zu stehen oder dem anderen zu sagen, dass er Recht hat. Ich bin noch nicht mal in der Lage ihm tatsächlich zuzuhören und mir wird nicht klar – wenn er wirklich Recht hätte, wäre es eine Chance, die er mir bietet, um mich weiterzuentwickeln. Stell Dir vor in der gleichen Situation wäre der Gedanke, dass der andere meint, Du hast etwas falsch gemacht, für einen Moment wie weggeblasen und nicht existent. Wer wärst Du ohne den Gedanken? Nimm Dir für diese Frage Zeit. Schließe die Augen und schau‘ wie sich die gleiche Situation anfühlt, wenn der Gedanke für einen Moment verschwunden wäre. Für den Fall, dass ich nichts Wahres in der Kritik entdecken kann, könnte ich klar und ruhig über mich selbst sprechen, ohne ins Wanken zu geraten und dem anderen erzählen, warum ich die Dinge genauso mache, wie ich sie mache. Ich könnte für mich prüfen – ist es für mich optimal, wie ich mich verhalten habe? Ist es für mich von Nutzen, fühlt sich das für mich richtig und gut an? Wenn ich diese Fragen aus tiefstem Herzen alle mit ja beantworten kann, könnte ich, ohne viel Worte zu machen, sagen: „Okay ich mache und sehe es anders als du.“ Mein Herz würde nicht mehr bis zum Hals klopfen. Ich könnte souverän für mich sprechen und zu mir stehen. Für den Fall, dass der andere mit seiner Kritik Recht hat, würde es mir ohne den Gedanken, dass er meint ich habe etwas falsch gemacht, leichter fallen, das zu sehen. Ich könnte die Situation plötzlich klarsehen und in die Selbstreflexion gehen. Ich könnte dennoch zu mir stehen, indem ich mir zunächst bewusst mache, warum ich bisher so gehandelt habe und mir selbst vergeben. Im nächsten Schritt könnte ich mein Bedürfnis mich weiterzuentwickeln und zu wachsen, anerkennen. Eigenverantwortung übernehmen und schauen, was ich ändern möchte. Ich könnte sehen, dass vor allem die Interaktion mit anderen Menschen mir Weiterentwicklung ermöglicht und dankbar sein für das, was der andere mir spiegelt und zeigt. In jedem Fall bräuchte ich keinen Schutzwall mehr. Verteidigung und Kampf könnten aufhören und die Verständigung beginnen. Ohne diesen Schutzwall wäre es mir möglich, sein Problem zu sehen – das was ihn vordergründig bewegt. Alles bekäme eine andere Wertigkeit und wäre nicht mehr so dramatisch. Ich könnte ihm offen zuhören und wäre kommunikativer. Vielleicht wäre ich einfach erstaunt über seine Kritik und würde ihn dazu befragen. Ohne Aufregung, ohne Angriff. Ich würde es wirklich wissen wollen und könnte seine Not, seine Gefühle und Bedürfnisse angstfrei sehen. Meine Angst und mein Feindbild würden sich in Mitgefühl verwandeln. Wie anders könntest Du Dein Leben leben, wenn Du nie wieder glauben würdest, dass irgendjemand meint, Du hättest etwas falsch gemacht? Wenn ich nie mehr glauben würde, dass irgendjemand meint, ich habe etwas falsch gemacht, könnte ich mein Leben völlig frei so leben, wie es zu mir passt. Ganz entspannt. Ich bräuchte mich nie mehr klein machen oder verstecken und aufpassen, dass der andere meine „Schandflecken“ nicht sieht. Ich müsste keine Norm mehr erfüllen und bräuchte nie mehr eine Maske aufsetzen. Mein von vornherein aufgebauter Schutzwall wäre überflüssig. Ich könnte mich so zeigen, wie ich bin und in völliger Ruhe die Verantwortung für meine Entscheidungen übernehmen. Was hast Du für Dich aus dieser Reise mitgenommen? Was ist Deine wichtigste Erkenntnis? Wenn mich jemand kritisiert, kann ich mir zwei wichtige Fragen stellen. 1. Kann an der Kritik etwas dran sein? (Wenn ja – was möchte ich jetzt tun? Wenn nein – dann kann ich aufrecht stehen und es bei dem anderen lassen.) 2. Welche Gefühle und unerfüllten Bedürfnisse stecken bei der anderen Person dahinter? In einem Interview mit Uwe Burk sagte Coco Tache: „Wenn man sich nur die Frage stellt: Was brauchst du? und sich gegenseitig zuhört, dann wird es gar keinen Streit mehr geben.“ Gedanken, wie „Er meint, ich habe etwas falsch gemacht. Er weiß alles besser. Er liebt mich nicht. Er behandelt mich respektlos. Ich will, dass er mich wertschätzt.“ machen wirkliches Zuhören jedoch unmöglich. Es lohnt sich all diese Gedanken mit The Work zu untersuchen. Coco Tache`s Aussage ist für mich eine wunderbare Zukunftsvision. Eine Welt, in der wir die Herzen füreinander öffnen und uns gegenseitig fragen, was wir brauchen. Einander zuhören und mitfühlen. Dann gibt es kein falsch und kein richtig mehr. Dann wird sichtbar, dass es von jeder Warte aus anders aussehen kann.